Agorithmenethik

Verbindung: Automatisiertes Miteinander – Algorithmenethik

Dieser Beitrag – Algorithmenethik – befasst sich mit der Frage, wie Algorithmen unser soziales Miteinander beeinflussen.

Als wieder einmal eine ihrer Beziehungen in die Brüche geht, erhält Amy Webb Trost von ihrer Großmutter. Sie müsse aufhören zu suchen, Liebe könne man eben nicht planen. Irgendwann werde ihr der Richtige schon über den Weg laufen. Webb schätzt den Zuspruch, aber sie glaubt ihrer Oma kein Wort. Denn nach einigen gescheiterten Beziehungen hat sie ein klares Bild von ihrem Wunschpartner: ungefähr so alt wie sie selbst, ebenfalls Akademiker, jüdischen Glaubens und auf keinen Fall Golfer. Als Datenforscherin überschlägt Webb aus Spaß, wie viele Männer in der Millionenstadt Philadelphia, in der sie damals lebt, diese Kriterien erfüllen. Es sind 35. Der großmütterliche Rat, dem Zufall eine Chance zu geben, scheint ihr da nicht besonders aussichtsreich.

Webb beschließt, eher den Algorithmen zu trauen und die Suche nach Mister Right systematischer anzugehen. Sie meldet sich bei mehreren Dating-Portalen an. Dort muss sie zunächst die üblichen Fakten angeben – Alter, Wohnort, sexuelle Orientierung – und dann Interessen, Werte und Lebensvorstellungen. Webb gibt ehrlich Auskunft: Sie ist eine preisgekrönte Journalistin, Professorin an einer renommierten Universität, Jahrgang 1974, spricht fließend Japanisch, programmiert gerne in JavaScript und schätzt die jüdische Kultur als wichtigen Teil ihres Lebens. Aus ihren Antworten und denen zigtausend anderer Nutzer errechnet ein Algorithmus, wer besonders gut zu ihr passen könnte und macht entsprechende Vorschläge. Einige Kandidaten sind aus Webbs Sicht durchaus vielversprechend. Gebildete, gleichaltrige und beruflich erfolgreiche Männer mit gemeinsamen Hobbies, Werten und Interessen. Das Problem: Diese erwidern ihre virtuellen Annäherungsversuche nicht.

Harald Lazardzig kennt dieses Phänomen. Bei der deutschen Partnervermittlung Parship war er als Chief Technical Officer an der Programmierung der Algorithmen beteiligt. Das Klischee besagt: Arzt und Krankenschwester geht, Ärztin und Krankenpfleger geht nicht. Frauen suchen demnach meist nach Partnern, die in Sachen Bildung und beruflichem Status mindestens auf Augenhöhe sind – Männer suchen so seltener. Die Statistik bestätigt dieses Bild. In 76 Prozent der Ehen in Deutschland verfügt der Mann über ein höheres Einkommen als die Frau. Fast ebenso häufig ist er älter als sie. Für Lazardzig und seine Plattform warf das Fragen auf. Sollte der Parship-Algorithmus die gesellschaftliche Realität aufgreifen und damit die Wünsche der Kunden möglichst gut bedienen? Oder sollte er versuchen, die Gesellschaft zu ändern und immer wieder potenzielle Partner empfehlen, die nicht den klassischen Rollenmustern entsprechen? Eine Frage der Algorithmenethik.

Parship hat einen Kompromiss versucht. Nutzer werden zunächst nach Bildung und Einkommen in Gruppen unterteilt. Frauen empfiehlt die Plattform nicht ausschließlich, aber tendenziell eher bildungs- und einkommensstärkere Männer. Sie erhalten Vorschläge aus ihrer eigenen Gruppe, der Gruppe unter ihnen und den beiden Gruppen über ihnen. Männern macht die Plattform ebenso viele Vorschläge sozioökonomisch gleich- und höhergestellter wie geringergestellter Partnerinnen. Lazardzig räumt ein: „An bestimmten Punkten beugt man sich der gesellschaftlichen Realität. Und schreibt sie damit fort.“

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